(Teilbericht von einem, der die bergsteigerischen Höhepunkte leider gar nicht miterlebt hat)
Unsere liebe Astrid hat heuer den Versuch gestartet, die Wanderung – wie sie es aus früherer Zeit in Erinnerung hatte – über zwei Tage mit Übernachtung auf einer Hütte zu organisieren. Und siehe da: Weit mehr als dreißig Turngeschwister, darunter auch viel Jugend, folgten ihrem Vorschlag. Ich will es vorwegnehmen: Die Daheimgebliebenen haben ein, auch für mich „Atemnötler“ tolles Wochenende versäumt!
Doch nun will ich der Chronologie aus meiner Sicht folgen: Da sich Astrid just bei der Vorbereitungen für die Wanderung während des Abstiegs von der Knofeleben-Hütte den Knöchel gebrochen hatte, organisierte sie die Möglichkeit, auch mit einem fahrbaren Untersatz auf die Hütte gebracht zu werden. Da ich ohne dieses Angebot nicht teilnehmen hätte können, packte ich die Gelegenheit beim Schopf und war um 09:30 Uhr am vereinbarten Abfahrtspunkt gestellt. In einer knapp halbstündigen Fahrt über Schlaglöcher, die Autoachsen, Wirbelsäule und Gebiss strapazierten, erreichten Astrid und ich die Knofelebenhütte – das war unser vergleichsweise bequemer Aufstieg, auch wenn ich dabei keinen inneren Schweinehund zu überwinden hatte! Trotz frischem Wind und ziehenden Wolken konnten wir, an die Hauswand gelehnt, die Herbstsonne in den Zwischenräumen der Wolken genießen.
Zur Verkürzung der Wartezeit auf jene, die sich, im Unterschied zu mir, unbedingt als tolle Mädel und Burschen am Berg beweisen wollten, trat ich nun auch meinen Beweis als notorischer Irrläufer an: Ich ging auf bequemer Forststraße den vermeintlich in Bälde Hochkommenden entgegen, aber auch in alter Gewohnheit an dem Punkt vorbei, an dem der Austritt des Aufstiegs von Kaiserbrunn markiert war. Nachdem die Forststraße nun immer länger bergauf führte und ich immer öfter stehen bleiben musste, um die frische Waldluft auch wirklich ausgiebig auszukosten, beschloss ich nach etwa einer dreiviertel Stunde des Fehltretens, dass die Umkehr auch eine Lösung wäre. So stand ich, am Weg zurück, etwa nach einer weiteren halben Stunde plötzlich vor einer Tafel, die den Abstieg nach Kaiserbrunn anzeigte und die meiner Meinung nach und ganz offensichtlich, nur um mich zu provozieren, erst vor einigen Minuten aufgestellt worden sein konnte. Wie ich nun so da stand und über diesen Umstand nachzusinnen begann, stiegen gerade Edith und Martin die letzten Meter den Steig herauf und ließen mich wissen, dass ich wenigsten noch ein paar Turngeschwister in Empfang nehmen könne. Und so kamen sie, schweißtriefend und von den Mühen „schwer gezeichnet“, aber voller Genugtuung, sich überwunden und den steilen Aufstieg bezwungen zu haben, einer nach dem anderen und ließen mich die erlösende Botschaft übermitteln, dass die Hütte nur mehr ein Viertelstündchen auf ziemlich ebenem Wege zu erreichen sei.
In der Knofeleben-Hütte waren wir trotz Wassermangels komfortabel untergebracht – einfach ein schöner, moderner und heller Bau. Astrid hatte für unsere Gruppe einen eigenen Raum akquirieren können, in dem nun die notwendige flüssige und feste Labung eingenommen wurde. Frisch gestärkt, waren die Anstrengungen des Tages verflogen und es wurde gespielt, gelesen oder einfach getratscht bis, ja bis wir uns unserer musischen Qualitäten entsonnen und mit einem „Chorfurioso“ loslegten, dass die übrige Hüttenbelegung in Neid erblassen ließ. So überboten wir uns gegenseitig in polyphonem Stimmenklang, dass Herz und Seele zu hüpfen begannen. Der unermüdliche Sangeseifer im Wechsel von deutschen Volksliedern, amerikanischen Countrysongs und vergangenen Schlagern dauerte bis spät in den Abend und ließ uns in fröhlicher Runde, garniert mit Lachsalven verursachenden Späßen, eine richtig schöne Turngemeinschaft erleben.
Der nächste Morgen begrüßte uns mit strahlendem Sonnenschein. Nach Frühstück und Gruppenfoto stieg die Gruppe der Tüchtigen (das waren bis auf fünf alle) Richtung Krummbachstein auf; Astrid musste sich wegen ihres Gipsfußes leider wieder bis zum Abschlussheurigen verabschieden; Heinz und ich (beide Verweigerer aus Not), zwecks psychischer Aufmunterung in charmanter Begleitung Susannas, wählten den bequemen Weg zur Walburganger-Hütte. Bei dieser Hütte sollten beide Gruppen und jene Turngeschwister, die erst am Sonntag von Reichenau aufgestiegen waren zur Mittagszeit zusammentreffen. So schlenderten wir drei auf breiter Forststraße durch den Wald, immer wieder in „hochgeistige“ Gespräche vertieft, die uns auch da und dort veranlassten, stehen zu bleiben, um der geäußerten Meinung den entsprechenden Nachdruck zu verleihen. Dadurch ergab sich ganz von selbst eine sowohl „Glieder schonende“ (Heinz) als auch „Herz/Lunge schonende“ (Armin) Fortbewegungsweise. Ein weiterer Nebeneffekt war, dass ich wegen der ununterbrochenen Begleitung nicht Gefahr laufen konnte, mich wieder in eine abwegige Richtung zu verabschieden. Nach zwei Stunden des gemächlichen Tempos traten wir aus dem Wald heraus auf die Bodenwiese. Hier versuchte uns Heinz durch die Feststellung aufzumuntern, dass wir zwar schon bei der Waldburganger-Hütte angelangt sein sollten, aber nach seiner Einschätzung noch die Hälfte des Weges vor uns hätten. Wir schalteten nun von zügigem auf forsches Schneckentempo um. Während wir die Ruhe ausstrahlende Atmosphäre der Hochwiese in uns aufsogen, „durchpflügten“ wir die langgezogene Weide in nur einer Stunde (es war nämlich nur mehr ein Drittel des Weges!) und straften dadurch Heinzens Einschätzung Lügen. In einem unwiderstehlichen Endspurt, der mehr einem Taumel glich, überwand ich den letzten Anstieg zur rettenden Hütte. Dort erwartete uns nicht nur einfallender Hochnebel und durchdringender Wind sondern auch jene Turngeschwister, die von Reichenau über den Lackerbodengraben direkt zu dieser Hütte aufgestiegen waren. Nach einer Weile stieß auch die „Mehrheit der Tüchtigen“ vom Krummbachstein rückehrend wieder zu uns und versuchte uns über das Versäumte dadurch hinweg zu trösten, in dem sie uns mit aller Einfühlsamkeit begeistert die herrliche und einmalige Aussicht auf eine bezaubernde Bergwelt beschrieben.
Nachdem wir „Schöberl“, die Spezialität der Waldburganger-Hütte, genossen und uns mit der notwendigen Zufuhr von Flüssigkeit versorgt hatten sowie auf der zugigen Terrasse genügend durchgefroren waren, brachen alle zum Abstieg auf. Nach anfänglicher Unsicherheit, welche Richtung nun einzuschlagen wäre, fanden doch wieder alle allmählich auf den rechten Weg zurück. Dieser führte zu Beginn über einen steilen Steig auf eine Forststraße, die uns sicher ins Tal geleiten sollte. Heinz und ich übernahmen, nachdem wir von den letzten Damen in provozierender Weise überholt wurden, die verantwortungsvolle Aufgabe der Nachhut, um eventuell Erschöpfte zu laben; doch niemand gab uns Gelegenheit, dieser selbst gewählten Aufgabe nachzukommen. So schritten wir beide in gewohnt „gemessenem“ Tempo dem ersehnten Schneedörfl im Tal entgegen. Hinter jeder Serpentine, die der Weg tief in die Talkessel hinein zog, hegten wir die Hoffnung an ein Ende, doch jedes Mal grinste uns die Schadenfreude der nächsten Serpentine entgegen. Als sich unser Schritt allmählich in ein müdes Schlurfen verwandelt hatte, erreichten wir beide das rettende Auto, mit dem uns Sigrid zum abschließenden Mostheurigen fuhr.
Wenn ich auch nur den „bequemen“ Teil der Wanderung miterleben durfte, so weiß ich mich doch mit allen einer Meinung, wenn ich unserer Turnschwester Astrid für ihre großartige Organisation und Auswahl der diesjährigen Herbstwanderung danke. Durch das Angebot der verschiedenen Zugänge und Routen war die Möglichkeit gegeben, für jung und alt, topfit und eingeschränkt daran teilzunehmen. Es war ein schönes Wochenende: Danke liebe Astrid!
Armin
(Red. Anm. bez. der "echten" Bergtour: Die schöne Wanderung entlang des Wasserleitungswegs bis Kaiserbrunn, den Aufstieg zur Knofeleben-Hütte und die Tour über den Krummbachstein zur Waldburganger-Hütte hat Astrids Sohn Matthias ganz ausgezeichnet geführt. Auch ihm gilt der Dank für sein spontanes Einspringen für seine behinderte Mutter!)